Das Saysche Theorem – oder wie komme ich an das Geld meiner Kunden?

Das Saysche Theorem – oder wie komme ich an das Geld meiner Kunden?

Das Saysche Theorem. Jeder Student der Wirtschaftswissenschaften sollte es kennen. Es geht zurück auf den berühmten französischen Ökonomen Jean-Baptiste Say (1767-1832). Sein prägnanter Inhalt: Jedes Angebot schafft sich seine Nachfrage selbst.

Das kennen Sie vielleicht von Ihrem Haus- oder Facharzt. Er verordnet Ihnen Leistungen, die er selbst erbringt und erschafft sich auf diese Weise die für seine Praxis notwendigen Einnahmen. Auffällig ist das besonders in Regionen, in denen ein Überangebot an Ärzten besteht. Oder im Krankenhaus: Weil die Chirurgie nicht ausgelastet ist, wird jeder sich freiwillig mit Rückenschmerzen in eine Klink begebende Patient Opfer einer Wirbelsäulenoperation. Okay, das gilt nicht für jedes Krankenhaus, aber für viele.

Darf’s noch ein bisschen mehr sein? Der Mandant des Anwalts ist rechtsschutzversichert. Der Anwalt dröhnt: „Denen zeigen wir’s. Wir gehen auf’s Ganze!“ Weshalb? Weil die Vergütung des Anwalts sich nach dem Streitwert bemisst und nicht nach der Antwort auf die Frage: „Welchen Betrag kann ich erfolgreich einklagen?“

Aber auch bei Banken kommt es bisweilen vor: Benötigt ein Hauskäufer einen Kredit von 200.000 EUR für den Kauf einer Immobilie, so wird ihm immer mal wieder ein Bausparvertrag über 200.000 EUR verkauft, andererseits ein Darlehen – ohne Tilgung – über 320.000 EUR. Die überschüssigen 120.000 EUR werden benötigt, damit der Bausparvertrag mit 60% schon von Beginn an für seine Zuteilungsreife angespart ist. Das Geldhaus verdient statt einer somit drei Provisionen: a) die Provision auf eigentlichen Kreditvertrag über 200.000 EUR, b) die Provision auf den Zusatzkredit von 120.000 EUR und c) die Provision auf den Abschluss eines Bausparvertrags. Jedes Angebot schafft sich seine Nachfrage selbst.

Scheitert dann – aus welchem Grund auch immer – der Traum vom schönen Eigenheim, so hat der Kunde auf das tilgungsfreie Darlehen von 320.000 EUR eine Vorfälligkeitsentschädigung von nicht selten 3% per annum zu zahlen, fast 10.000 EUR jährlich bis zum geplanten Zuteilungstermin.

Das geht auch anders herum. Sie wollen Geld anlegen. Wie wäre es mit einem Immobilienfonds? Na klar, machen wir. Nur 100.000 EUR? Kennen Sie denn den Leverage-Effekt nicht? Klingt gut. Der geht so! 100.000 EUR Eigenkapital, 400.000 EUR Kredit zu 2%. Der Immobilienfonds bringt jährlich mindestens 4%. Garantiert? Schauen Sie sich doch bitte einmal den Immobilienmarkt an. Es geht nur noch nach oben. Okay, nicht garantiert! Aber was soll schon passieren?

Also einfach mal nachgerechnet. Brauch ich nicht, Anlageberater rechnet es mir vor. 400.000 EUR Kredit: gibt jedes Jahr eine Zinsbelastung von 8.000 EUR. 4% Ertrag auf die Anlagesumme von 500.000 EUR für den Immobilienfonds: 20.000 EUR. Verbleiben für mich als Anlageertrag 12.000 EUR auf 100.000 EUR Einsatz. Toller Hebel! 12% Eigenkapitalrendite. Sehr netter Finanzspezialist.

Nett sein zahlt sich aus. Der Finanzjongleur rechnet anders: Hätte der Kunde nur 100.000 EUR angelegt, so hätte unser Experte nur 5% Provision auf die Fondsanlage verdient: 5.000 EUR. Das war ihm zu wenig. Besser so: 1,5% Provision auf den Kreditvertrag macht 6.000 EUR, 5% Provision auf den Fondsvertrag ergibt 25.000 EUR, zusammen 31.000 EUR. Kunde hat nichts gemerkt.

Schon wegen der hohen Provisionen wird der Immobilienfonds wahrscheinlich in die Grütze gehen. Schlechte Produkte brauchen hohe Provisionen, sonst werden sie nicht vermittelt.

Doch mit dem Sayschen Theorem hat das alles überhaupt nichts zu tun. In einer Wirtschaft ohne Geld, einer sog. Tauschwirtschaft, kann man nur etwas nachfragen, wenn man auch etwas anzubieten hat, das in seinem Wert der nachgefragten Sache entspricht. Soweit klar. Hat man etwas produziert, nur um es zu tauschen, so kann sich zumindest ein Zeitproblem einstellen. Wie lange dauert es, einen Interessenten zu finden? Zwar stimmen am Ende das veräußerte Angebot und die getätigte Nachfrage stets überein, doch bei den Wirtschaftssubjekten können sich zwischendurch durchaus Probleme einstellen: Weil der Plan des Verkaufes nicht realisiert wurde, konnte auch nichts nachgefragt werden.

Das Saysche Theorem kann somit nur bei einem kleinen Teil der an unserem Wirtschaftskreislauf beteiligten Anbieter funktionieren – siehe oben.

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