Vorfälligkeitsentschädigung unter bestimmten Bedingungen als sittenwidrig zu bezeichnen

Von Prof. Dr. Klaus Wehrt, Rechtsanwältin Angela Wehrt-Sierwald

Aktualisiert: 04. April 1997

Banken sitzen am längeren Hebel

Die bankliche Rechtsauffassung erscheint aus volkswirtschaftlichem Blickwinkel bedenklich. Das Recht zur vorzeitigen Ablösung kann der Schuldner nämlich nur von seinem Kreditgeber abkaufen. Insofern hat dieser eine monopolistische Stellung inne. Es fehlt am Wettbewerb, der im allgemeinen dafür sorgt, dass die Preise die entstehenden Kosten - hier ist es ein möglicherweise eintretender Zinsschaden - nicht übersteigen.

So hat denn auch der BGH mit Urteil vom 8. Oktober 1996 (Az: XI ZR 283/95) entschieden, dass eine Bank die vorzeitige Vertragsbeendigung nur von der Zahlung einer angemessenen Vorfälligkeitsentschädigung abhängig machen darf. Das OLG Schleswig (Urteil vom 2. Oktober 1996, Az: 5 U 124/95) legt dar, dass eine Vorfälligkeitsentschädigung, die den eintretenden Zinsschaden übersteigt, unter bestimmten Bedingungen als sittenwidrig zu bezeichnen ist.

Wie der Schaden berechnet wird

Doch auch im Hinblick auf den eintretenden Zinsschaden divergieren die Auffassungen. Das Kreditgewerbe vertritt die Position, dass das vorzeitig zurückfließende Darlehenskapital zwar wiederum für einen Kredit ausgereicht wird, dass die Bank dieses Neugeschäft jedoch auch ohne die vorzeitige Rückzahlung getätigt hätte. Der Effekt der vorzeitigen Rückzahlung besteht danach nur noch darin, die Refinanzierung für das neue Geschäft zu ersparen.

Der Schaden aus vorzeitiger Rückzahlung dokumentiert sich nach Bankenmeinung somit in der Differenz zwischen dem Kreditzinssatz des abgelösten Darlehens und der marktaktuellen Rendite von Pfandbriefen oder Inhaberschuldverschreibungen (sog. KAPO-Berechnung oder Aktiv/Passiv-Vergleich).

Diese Position bleibt in der Rechtsprechung nicht unwidersprochen. Die Rechtsprechung unterscheidet nach zwei Schadenskomponenten: den sog. Zinsverschlechterungs- sowie den Zinsmargenschaden.

Die Zinsverschlechterung wird durch den Abstand zwischen der Verzinsung des Darlehens, die für die Restlaufzeit noch geschuldet wird (näherungsweise: der Nominalzinssatz), sowie der marktaktuellen Verzinsung für die gleiche Laufzeit bestimmt.

Die Zinsmarge

Der Zinsmarge entspricht dagegen der typische Abstand zwischen den Kredit- und Wertpapiersätzen (im allgemeinen ca. 1 Prozentpunkt). Von dieser sog. Bruttomarge noch abzuziehen sind die Kostenbestandteile (wie Verwaltungskosten, Risikoprämie und Emissionskosten), so dass eine Nettozinsmarge von ca. 0,5 Prozentpunkten verbleibt.

Nur die Zinsverschlechterung sowie die Nettozinsmarge sind Bestandteil der angemessenen Vorfälligkeitsentschädigung (BGH-Urteil vom 8. Oktober 1996). Finanziert der Objekterwerber bei der gleichen Bank, so darf sie sogar nur den Zinsverschlechterungsschaden verlangen, weil das Folgegeschäft den Nettozinsgewinn ersetzt (OLG Zweibrücken, Urteil vom 1. Dezember 1994, Az: 4 U 47/94).

Die Kapo-Berechnung

Wird die Immobilie an einen Erwerber veräußert, der bereit ist, das laufende Darlehen zu übernehmen, so darf - ausreichende Bonität vorausgesetzt - allenfalls eine an den tatsächlichen Kosten orientierte Bearbeitungsgebühr erhoben werden (BGH-Urteil vom 30. November 1989, Az: III ZR 197/88).

Kapo-Berechnungen messen den Schaden entlang der Zinsspanne zwischen dem Vertragszinssatz und der marktaktuellen Pfandbriefrendite. In diesen Abstand ist die Zinsverschlechterung sowie die Bruttomarge einbezogen. Der Schaden wird somit zu hoch ausgewiesen.

Zu beanstanden ist ferner die Diskontierung, die über die geringen Geldmarktsätze erfolgt. Weil die Darlehensvaluta wieder einem Kreditgeschäft zugeführt wird, ist mit den aktuellen Sätzen des Kreditgeschäfts abzuzinsen.

Die banklichen Zinsschadensberechnungen sollten nicht ungeprüft beglichen werden. Hilfreich ist die Präsentation einer Gegenrechnung. Auf dem Verhandlungswege lässt sich somit häufig ein Entgegenkommen erreichen.

Einverständnis nur mit Vorbehalt

Scheitern die Bemühungen um eine einvernehmliche Lösung und droht das Kreditinstitut damit, die Löschungsquittung für die eingetragenen Grundschulden nicht freizugeben, bevor das schriftliche Einverständnis zur verlangten Entschädigung vorliegt, so sollte dieses Einverständnis allenfalls zusammen mit einem anwaltlich zu formulierenden Vorbehalt erklärt werden. Auf diese Weise hält sich der Darlehensnehmer die Möglichkeit offen, die streitige Angelegenheit auch weiterhin rechtlich zu verfolgen.

Eine vorbehaltlos erklärte Zustimmung verbaut diesen Weg. Nach einem Urteil des LG Hannover (vom 27. Juli 1994, Az: 7 O 140/94) darf eine vorbehaltlose Zustimmung auch nicht verlangt werden.

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