Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung begrenzt

Von Prof. Dr. Klaus Wehrt, Rechtsanwältin Angela Wehrt-Sierwald

Aktualisiert: 10. July 1997

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer wichtigen Grundsatzentscheidung zu einer der brisantesten Fragen des Bankrechts Stellung bezogen (Handelsblatt vom 1.7.). Die obersten Bundesrichter haben die Frage entschieden, ob eine Bank einen Darlehensnehmer am Vertrag festhalten oder von ihm ein nach eigenem Gutdünken festgesetztes Vorfälligkeitsentgelt verlangen darf, wenn dieser seinen hypothekarischen Kredit vor Ablauf der Festschreibungszeit zurückgeben möchte.

Zwei Fälle lagen dem BGH zur Entscheidung vor. In einem der Fälle (Az.: XI ZR 267/96) wurde die gemeinsam finanzierte Immobilie im Zuge der Ehescheidung verkauft. Die beklagte Hypothekenbank machte ihre Zustimmung zur Freigabe der Grundschuld von der Zahlung eines einseitig diktierten Ablöseentgelts abhängig.

In dem anderen Fall (Az.: XI ZR 197/96) wünschte eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts von der kreditgewährenden Bank eine Aufstockung der Darlehensmittel zur Finanzierung weiterer Investitionen. Die Bank lehnte ab. Ein zweiter Kreditgeber erklärte sich daraufhin zur Finanzierung der zusätzlich benötigten Mittel bereit, verständlicherweise jedoch unter der einschränkenden Bedingung, dass er auch die erstrangig benötigten Mittel finanziert. Für die Ablösung der erstrangigen Mittel verlangte der ursprüngliche Darlehensgeber ein knapp zehnprozentiges Entgelt.

Nunmehr hob der BGH die klagabweisenden Berufungsurteile auf. Nach seiner Ansicht überwiegt das Interesse des Kreditnehmers an der freien Verfügung über das Grundstück gegenüber dem Interesse der Bank an ungestörter Vertragsabwicklung. Somit könne die kreditgewährende Bank im Fall des Objektverkaufs oder der Ausdehnung des Kreditrahmens nur den Ausgleich der Nachteile fordern, die ihr durch die vorzeitige Rückzahlung entstehen.

Das Urteil schafft die dringend benötigte Klarheit in der Rechtsbeziehung zwischen Darlehensnehmer und Bank. Wenngleich der BGH seine Urteilsgründe noch innerhalb der nächsten Wochen nachliefern wird, so gibt sich eins bereits deutlich zu erkennen:

Entgegen der Ansicht der Kreditwirtschaft stellt die Vorfälligkeitsentschädigung keinen unkontrollierbaren, den Kräften der Marktpreisbildung unterliegenden Preis dar, der nur wegen seiner möglicherweise sittenwidrigen Höhe - hundertprozentige Überschreitung des fairen Preises - beanstandet werden kann. Stattdessen handelt es sich bei der Vorfälligkeitsentschädigung entweder um einen kontrollierten Preis, der eine Schadensersatzhöhe nicht überschreiten darf, oder direkt um einen Schadensersatzanspruch.

Häufig wurden den Darlehensnehmern die Aufhebungsentgelte aber in der Vergangenheit geradezu diktiert. Sie erhalten jetzt die Chance, Teile der gezahlten Beträge nachträglich zurückzubekommen.

Welche Beträge zurückgefordert werden können, hängt davon ab, wie der BGH den Zinsschaden in den noch ausstehenden Urteilsgründen definieren wird. Insoweit ist der während der mündlichen Verhandlung gegebene Verweis auf das jüngste Disagiourteil zu beachten (Az.: XI ZR 283/95).

Danach setzt sich der Schaden des Darlehensgebers aus dem Zinsverschlechterungsschaden sowie dem Zinsmargenschaden zusammen.

Die Zinsverschlechterung wird durch den Abstand zwischen der Verzinsung des Darlehens, die für die Restlaufzeit noch geschuldet wird (näherungsweise: der Nominalzinssatz), sowie der marktaktuellen Verzinsung eines Vergleichsdarlehens für die gleiche Laufzeit bestimmt.

Der Zinsmarge entspricht dagegen der typische Abstand zwischen den Kredit- und Wertpapiersätzen (im allgemeinen ca. 1 Prozentpunkt). Von dieser sog. Bruttomarge noch abzuziehen sind die Kostenbestandteile (wie Verwaltungskosten und Risikoprämie), so dass eine Nettozinsmarge von ca. 0,5 Prozentpunkten verbleibt.

Die branchenüblichen Entschädigungs-berechnungen nach der KAPO-Methode (sog. Aktiv-Passiv-Berechnungen) folgen dieser Vorgabe nicht. Eine derartige Rechenweise unterstellt, dass die Darlehensmittel nicht dem Kredit-, sondern dem Wertpapier- sowie kurzfristigen Geldanlagegeschäften zugeführt werden. Der Zinsschaden wird dabei kalkulatorisch aufgebläht.

Hält sich der BGH an seine Rechtsprechung aus dem Disagiourteil, so können geschädigte Darlehensnehmer auf Rückerstattungsbeträge in Höhe von durchschnittlich ca. 30% der geleisteten Vorfälligkeitsentschädigungen hoffen. Wie sich der Kreis der Anspruchsberechtigten zusammensetzen wird, welche Rückwirkungskraft das Urteil entfalten wird, wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach den Urteilsgründen entnehmen lassen.

Wenn der Artikel hilfreich war, empfehlen Sie uns gerne weiter:

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Was ändert sich bei der Vorfälligkeitsentschädigung? - Das Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie

Am 21.03.2016 trat das Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie in Kraft. Es enthält viele Neuregelungen, die sich auf das Verhältnis des Immobiliar-Verbraucherdarlehensnehmers zu seiner Bank auswirken. Auch in Bezug auf die Vorfälligkeitsentschädigung ergingen neue Vorschriften. Deren tiefergehende spezifische Ausgestaltung sollte allerdings einem weiteren Gesetzgebungsverfahren vorbehalten bleiben, das die Ergebnisse einer speziell zu diesem Zweck eingerichteten Arbeitsgruppe verwerten sollte. Die Zielsetzung, eine Richtschnur für die spezifische Ausgestaltung des Instruments der Vorfälligkeitsentschädigung zu erarbeiten, wurde damit eher verfehlt. Diese Studie erhebt den Anspruch, auf wichtige Fragen um die Vorfälligkeitsentschädigung die passenden Antworten zu geben.

Was ändert sich bei der Vorfälligkeitsentschädigung? - Das Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie

Vorfälligkeitsentschädigung unter bestimmten Bedingungen als sittenwidrig zu bezeichnen

Banken haben monopolisitische Stellung, Schadensberechnungen nicht ungeprüft begleichen. 80% der Beschwerden von Bankkunden betreffen die Vorfälligkeitsentschädigung. Die verlangten Entschädigungen machen häufig mehr als 10% des geschuldeten Restkapitals aus.

Vorfälligkeitsentschädigung unter bestimmten Bedingungen als sittenwidrig zu bezeichnen

Hohe Vorfälligkeitsentschädigungen schockieren die Kunden

Die aktuellen Staats- und Finanzkrisen erschüttern nicht nur die Anleihe- und Aktienmärkte, sie nehmen auch einen erheblichen Einfluss auf die Kosten einer vorzeitigen Darlehensablösung, die Vorfälligkeitsentschädigung. Eine direkte Folge der Finanzierungskrisen in den Weichwährungsländern der EU stellt die Flucht der Anleger in die vermeintlich „noch“ sicheren Häfen der Geldanlage dar. So bewirkte die zunehmende Nachfrage nach deutschen Staatsanleihen einen starken Kursanstieg und damit einen Renditeverfall.

Hohe Vorfälligkeitsentschädigungen schockieren die Kunden
Vorfälligkeitsrechner

Vorfälligkeitsrechner

Vorfälligkeitsentschädigung schnell berechnen

Sie möchten die Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung ermitteln oder prüfen? Mit unserem Online-Vorfälligkeitsentschädigungsrechner ist das kein Problem. Bereits ab 0,00 Euro für Darlehen bis 400.000 Euro.

Zum Vorfälligkeitsrechner

Kontaktieren Sie uns

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail:

Telefon: 04161 996816
E-Mail: mail@wehrt.de
Consultant
Prof. Dr. Klaus Wehrt

Prof. Dr. Klaus Wehrt

Prof. Dr. Klaus Wehrt ist finanzmathematischer Experte für alle Fragen der Immobilienfinanzierung, insbesondere der Überprüfung von Vorfälligkeitsentschädigung, Professor für Volkswirtschaftslehre und Statistik, Buxtehude-Immenbeck.

+49 (0)4161 996816

mail@wehrt.de

Prof. Dr. Klaus Wehrt

Consultant
Angela Wehrt-Sierwald

Rechtsanwältin Angela Wehrt-Sierwald

Die Schwerpunkte der Tätigkeit von Frau Rechtsanwältin Angela Wehrt Sierwald bilden Bankrecht, Erb-, Immobilien- sowie Familienrecht.

+49 (0)4161 996812

mail@wehrt-hahn.de

Rechtsanwältin Angela Wehrt-Sierwald

Unsere Leistungen für Sie

Sie erreichen uns unter Telefon: 04161 996816.

Wir erstellen Gutachten

Gutachten

Privat- und Gerichtsgutachten.

04161-996816

Hilfe bei Darlehensstörung

Hilfe bei Darlehensstörungen

Wir informieren umfassend.

Unser Erfolgsbeteiligungsangebot

Erfolgsbeteiligungsangebot

Angst vor der rechtlichen Durchsetzung?

1

Wir verwenden Cookies auf unserer Website. Erforderliche Cookies helfen, die Website nutzbar zu machen. Über sie wird der Zugriff auf sichere Bereiche der Website, die Warenkorb-Funktion sowie die Speicherung Ihrer Cookiepräferenzen ermöglicht. Ohne diese Cookies kann die Website nicht richtig funktionieren.

OK, verstanden Mehr Informationen