Eine fast wahre Geschichte
Es war Anfang Mai 2022. Da rief mich ein Familienvater an:
„Sie schreiben immer, dass man im Umgang mit Banken und Sparkassen wachsam sein sollte. Überall drohe die Gefahr, über den Tisch gezogen zu werden. Ich möchte auch einmal eine Lanze für meine Volksbank brechen!“
Die Familie bewohnte ein 150 m² großes Haus, gebaut Ende der 90er Jahre, mit kleinem Garten im Grünen: Lüneburger Heide. Der Mann, ein Ingenieur, wollte unbedingt seine Geschichte loswerden.
„Die Kinder sind aus dem Haus. Mit meiner Frau wollte ich in eine Eigentumswohnung, am liebsten HafenCity Hamburg, umziehen. Ich versuchte schon seit Anfang 2021, mein Haus zu verkaufen. Ein Käufer fand sich erst im März 2022, also nach etwas mehr als einem Jahr. Ich hatte mir bereits letztes Jahr, als ich meine Verkaufsaktivitäten plante, auf mehreren Portalen die Höhe einer auf mich zukommenden Vorfälligkeitsentschädigung ausgerechnet. Sie belief sich für die restlichen 7 Jahre auf etwas mehr als 10%. Ich war schockiert: 42.000 EUR.
Meine Pläne schienen sich zu zerschlagen. Nicht schon wieder eine 100%-Finanzierung für die Eigentumswohnung.“
Bevor ich überhaupt einwenden konnte, dass die Zinsen seit ungefähr diesem Zeitpunkt wieder ansteigen und die Vorfälligkeitsentschädigungen deshalb sinken, fuhr mein Anrufer fort:
„Selbstverständlich würden die hohen Immobilienpreise helfen, auch noch diesen Betrag aus dem Verkauf herauszuholen. Doch unterm Strich würde damit nichts mehr übrigbleiben. Es wäre also so, als hätte man niemals ein eigenes Haus besessen. Wieder von vorne anfangen!“
„Ja, leider“, tröstete ich ihn. Doch dann kam seine Pointe.
„Keine Vorfälligkeitsentschädigung! Somit 42.000 EUR Eigenkapital für die Eigentumswohnung. Die Volksbank hat komplett auf die Entschädigung verzichtet! Das nenne ich anständig.“
Ich musste mich erst einmal sortieren. Also: 10% Vorfälligkeitsentschädigung erwartet. Mithin betrug das Darlehenskapital noch ungefähr 420.000 EUR. Die noch bestehende Restzinsbindungsfrist belief sich damals auf ca. sieben Jahre. Somit wurde für jedes einzelne Jahr eine Entschädigung von 6.000 EUR kalkuliert. Das sind ungefähr 1,43% pro Jahr (entspricht 10% geteilt durch 7). Da die Wiederanlagerenditen im Pfandbriefgeschäft zu Beginn des Jahres 2021 noch ziemlich genau bei null lagen, durfte die Volksbank somit mit einem jährlichen Zinsschaden in genau dieser Höhe kalkulieren. Mithin trug das Darlehen bei Vertragsschluss in etwa einen effektiven Jahreszinssatz von 1,5%. Heute beträgt der fünfjährige Hypothekenkreditzinssatz ungefähr 2,65%, der zehnjährige 2,75%. Also macht die Volksbank einen profitablen Schnitt von jährlich ca. 1,2% auf 420.000 EUR, wenn sie das Darlehen entschädigungsfrei zurücknimmt: 5.040 EUR pro Jahr, über die verbleibenden sechs Jahre – ein Jahr hat es bis zum Verkauf gedauert –, also insgesamt 30.240 EUR – nicht schlecht!
So viel Anständigkeit will gut bezahlt sein!
Der triumphierende Familienvater hatte schlichtweg übersehen, dass die Darlehenszinssätze innerhalb der letzten eineinhalb Jahre um fast 2 Prozentpunkte angestiegen sind. Wie hätte er seiner Volksbank das Geschäft verderben und die Vorteile auf das eigene Konto umleiten können?
Die echt wahren Möglichkeiten
Mit ein wenig Schläue hätte der Familienvater selbst von der Ablösung seines Darlehens profitieren können. Zum einen hätte ihm die Ersatzkreditnehmerentscheidung des BGH vom 30.11.1989(!) geholfen: BGH III ZR 197/88. Danach darf eine Bank nichts dagegen einwenden, wenn ein Verkäufer das noch laufende Darlehen eins zu eins an den Käufer der Immobilie überträgt. Es findet somit lediglich ein Schuldnerwechsel statt. Einziger Ablehnungsgrund: Die persönliche Bonität des Käufers ist nicht ausreichend. Sofort leuchtet ein, dass die eigentliche Sicherheit für die Rückzahlbarkeit des Darlehens die verkaufte Immobilie darstellt. Diese Sicherheit bleibt beim Schuldnerwechsel erhalten. Mithin kann der einzige Grund für eine Ablehnung in der Person des Käufers selbst liegen. Nur ausnahmsweise darf das Geldhaus die Übertragung des Kredits somit ablehnen. Für den Schuldnerwechsel darf das Institut eine am Aufwand orientierte Bearbeitungsgebühr von wenigen hundert Euro verlangen.
Die Idee: Der Verkäufer lockt den Käufer mit den günstigen Zinskonditionen zur Übernahme des laufenden Darlehens. Dafür lässt er sich einen kleinen Aufschlag auf den Kaufpreis versprechen. Diesen Aufschlag gestaltet der Verkäufer günstiger aus als die den Käufer ansonsten ereilenden Zinsmehrkosten einer eigenen Darlehensaufnahme. Die Mehrkosten einer erwerberseitigen eigenen Darlehensaufnahme und der mögliche Zinsgewinn des Veräußerers aus der Übertragung des Kredits kann ich gutachterlich kalkulieren. Mit einem angemessenen Kaufpreiszuschlag werden die gegenseitigen Vorteile unter den Parteien aufgeteilt.
Eine andere Möglichkeit hätte für den Familienvater darin bestanden, das laufende Darlehen auf die neue Eigentumswohnung zu übertragen, der sog. Pfandtausch: BGH-Urteil vom 03.02.2004 (BGH XI ZR 398/02). Anders als beim Ersatzkreditnehmer spielt die persönliche Bonität beim Objektwechsel keine Rolle, wohl aber das Objekt selbst. Für die Umtragung der Sicherheit wird eine am Aufwand des Instituts gemessene Bearbeitungsgebühr fällig. Die neue Sicherheit ablehnen darf es nur, wenn diese im Vergleich zum ursprünglichen Sicherungsobjekt keine ausreichende Kreditrückführungsgewähr bietet.
Und wer diese Möglichkeiten versäumt, hat selber Schuld. Ich würde anrufen: 04161 / 996816 oder eine Mail schreiben.
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