Von Angela Wehrt-Sierwald und Prof. Dr. Klaus Wehrt
HANDELSBLATT, Donnerstag, 18.9.97
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinen beiden Grundsatzurteilen zur vorzeitigen Darlehensablösung vom 1. Juli (XI ZR 197/96, XI ZR 267/96) und den dazugehörigen Begründungen wichtige Punkte klargestellt. Jeder, der entweder seine Immobilie verkauft oder von einer zweiten Bank einen größeren Kreditspielraum eingeräumt bekommt als ihn der eigene Darlehensgeber gewähren will, kann von seiner Bank verlangen, aus den laufenden Darlehensverpflichtungen gegen den Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile entlassen zu werden (siehe Handelsblatt vom 11.7. und 8.9.97). Die Frage, ob ein generelles Recht zur Umschuldung (bspw. auf niedrigere Zinssätze) besteht, hat der BGH nicht beantwortet. Der Umstand, dass sich die Richter in ihrer Urteilsbegründung auf § 1136 BGB beziehen, könnte in diese Richtung deuten.
Zugunsten der Verbraucher großzügig erweist sich der BGH somit bei der Abgrenzung der Fallgruppen, für die ein Recht zur vorzeitigen Ablösung besteht. Die von vielen Verbrauchern gehegten Erwartungen auf hohe Rückerstattungsansprüche aus überzahlten Vorfälligkeitsentschädigungen werden jedoch nur zum Teil eingelöst.
Zwar lehnen die hohen Richter die banküblichen Kalkulationen ab, sie ersetzen diese jedoch durch eine Berechnungsweise, die der branchenüblichen näher steht als der vom Verbraucherschutz geforderten.
Ihren Zinsschaden kann eine Bank auf zwei verschiedenen Wegen berechnen. Schon nach bisheriger Urteilslage (BGH XI ZR 283/95) war klar, dass der Kreditgeber den sog. Zinsverschlechterungs- zusammen mit dem Zinsmargenschaden ersetzt verlangen kann (1. Weg). Zur Ermittlung des Zinsverschlechterungsschadens wird dem ursprünglichen Kredit ein marktaktuell ausleihbares Vergleichsdarlehen gleicher Laufzeit gegenübergestellt. Die Unterschiede in den Zahlungen zu den einzelnen Leistungsterminen determinieren den Schaden, der zu diskontieren ist. Daneben kann der entgangene Gewinn aus dem vorzeitig beendeten Geschäft, der sog. Zinsmargenschaden, gefordert werden. Er beträgt im allgemeinen 0,5 Prozentpunkte jährlich.
Überraschenderweise - weil in den bisher ergangenen Urteilen noch nie dargelegt - eröffnet der BGH der Bankenwelt auch noch eine weitere Berechnungsvariante. Seinen Zinsschaden kann der Kreditgeber auch im Vergleich zur Wertpapiergeschäft kalkulieren (2. Weg). Dabei ist dem ausgeliehenen Darlehen die Rendite einer öffentlichen Anleihe mit gleicher Restlaufzeit gegenüberzustellen. Der so ermittelte Zinsschaden ist um eingesparte Risikoprämien und Verwaltungskosten zu reduzieren.
Vorfälligkeitsentschädigung | ||
Berechnungsweise | Wiederanlage- Zinssatz | Betrag |
BGH 1: Zinsverschlechterungs- plus Zinsmargenschaden BGH 2: Wiederanlage in Öffentl. Anleihen unter Abzug v. Risikoprämie u. Verwaltungskosten Branchenübliche Entschädigungsermittlung sog. Kapo-Berechnung (Aktiv-Passiv-Vergleich) Berechnungsweise einiger Institute: Wiederanlage in Öffentlichen Anleihen keine Berücksichtigung Restschuldverlauf, Diskontierung mit gesetzl. Zinssatz Überzogene Abrechnung nach Faustformel: Restkapital x Restlaufzeit x Zinsdifferenz | 8,38 Prozent 7,10 Prozent 4,99 – 7,30 % 7,10 Prozent 7,10 Prozent | 31 500 DM 39 800 DM 45 200 DM 55 000 DM 60 500 DM |
Mit dieser zweiten Variante nähert sich der BGH der branchenüblichen Berechnungsweise an. Die Unterschiede dazu bleiben indes immerhin noch so groß, dass die Darlehensnehmer Rückerstattungsansprüche von ca. 10% auf bereits geleistete Vorfälligkeitsentschädigungen werden durchsetzen können. Im Einzelfall werden die Erstattungsansprüche bis zu 35% erreichen.
Rückforderungsansprüche geltend machen kann jeder, der in der Vergangenheit mehr zahlte als nach den höchstrichterlichen Urteilen zulässig. Da es sich um Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung handelt, ist von einer 30jährigen Verjährungsfrist auszugehen.
Eine rechnerische Überprüfung der gezahlten Entschädigung ersetzt keine rechtliche Beratung, denn die hohen Richter haben nur die Obergrenze für die Vorfälligkeitsentschädigung festgelegt. In vielen Verträgen finden sich Klauseln, welche den Kreditgeber schon von vornherein auf eine darunterliegende Entschädigung beschränken.
Welche Erstattungsansprüche im Einzelfall möglich sind, zeigen die Beispielberechnungen, die auf folgendem Darlehen basieren:
Summe 534 000 DM
Laufzeit 28.2.1990 bis 28.2.2000
Nominalzins 9,5%
Tilgung 1%
Ratenzahl. monatl. (nachschüssig).
Vorzeitige Ablösung am 28.2.95
Restschuld 500 000 DM.
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- Fehlendes berechtigtes Interesse.
-
Keine Vorfälligkeitsberechnung, wenn...
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- Sie stellen den Käufer als Ersatzkreditnehmer oder bieten ein Ersatzgrundstück als Sicherheit an
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- Ihr Kreditinstitut macht Ihnen ein Angebot auf Rückzahlung
- Das Kreditinstitut hat Ihr Verbraucherdarlehen gekündigt
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Prof. Dr. Klaus Wehrt
Prof. Dr. Klaus Wehrt ist finanzmathematischer Experte für alle Fragen der Immobilienfinanzierung, insbesondere der Überprüfung von Vorfälligkeitsentschädigung, Professor für Volkswirtschaftslehre und Statistik, Buxtehude-Immenbeck.
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Die Schwerpunkte der Tätigkeit von Frau Rechtsanwältin Angela Wehrt Sierwald bilden Bankrecht, Erb-, Immobilien- sowie Familienrecht.