Die Erstattungsansprüche aus Prämiensparverträgen werden weit unterschätzt

Von Prof. Dr. Klaus Wehrt

Letzter Bearbeitungsstand: 20.10.2024

Ursache ist ein möglicher Rechenfehler bei der Nachberechnung

Am 9. Juli 2024 hat der Bundesgerichtshof (BGH XI ZR 40/23 und BGH XI ZR 44/23) das Thema „Prämiensparverträge“ vorläufig zu den Akten genommen. Es gibt nichts mehr zu entscheiden – denkt man.

Alles klar soweit. Prämiensparverträge dürfen von den Geldinstituten gekündigt werden, nachdem die höchste Prämienstufe erreicht ist. Der Anspruch auf eine Nachberechnung des Sparguthabens verjährt mit dem Ablauf des dritten Kalenderjahres nach der erfolgten Kündigung bzw. dem Vertragsende. Die Nachberechnung der Sparguthaben von Prämiensparverträgen hat den folgenden Vorgaben zu genügen:

  • eine monatliche Zinsberechnung und die jährliche Zinsgutschrift,
  • eine monatliche Zinsanpassung ohne Beachtung einer Anpassungsschwelle,
  • die Einhaltung eines durchgehend gleichbleibenden prozentualen Abstands zwischen dem Sparzinssatz und dem jeweiligen Zinssatz der Vergleichsreihe der Deutschen Bundesbank,
  • die Benutzung der jeweiligen monatlich aktuellen Renditen von Bundeswertpapieren mit 8-15 Jahren Laufzeit für die Berechnung (keine Gleitzinsen bei der Zinsanpassung).

Alle diese Vorgaben leitet der Bundesgerichtshof aus einer sog. ergänzenden Vertragsauslegung her. Sie wird angewendet, wenn die Sparklausel des Vertrags, mit der die Geldhäuser die Anpassung der Zinsen im ursprünglichen Sparvertrag regelten, rechtlich unwirksam war. Das ist wohl durchgängig bei allen Verträgen der Fall, die in den 90er Jahren oder bis zum Jahr 2015 abgeschlossen wurden.

Im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung versucht das Gericht, die unwirksame Sparklausel durch eine wirksame Klausel zu ersetzen, welche zwei typische Vertragsparteien vereinbart hätten, wäre ihnen die Unwirksamkeit der Sparklausel schon beim Abschluss des Prämiensparvertrags bekannt gewesen.

Für den Bundesgerichtshof ist es dabei unbeachtlich, dass die meisten Geldinstitute ihre Sparverträge mit Laufzeiten von 25 Jahren und mehr bewarben. Mithin darf man daran zweifeln, ob ein solches bankseitiges Kündigungsrecht von zwei typischen Vertragsparteien in den Vertrag aufgenommen worden wäre.

Wie dem auch sei. Der Bundesgerichtshof hat entschieden.

Gleichwohl stoße ich ständig auf bankliche Nachberechnungen, unter denen nicht nur die Sparzinsen monatlich in der Weise angepasst werden, dass sie einen prozentual gleichen Abstand zu dem in diesem Monat geltenden Vergleichszinssatz der Bundeswertpapierreihe einhalten. Darüber hinaus unterstellt das Geldhaus auch für die Nachberechnung der Sparguthaben eine Verzinsung, die genau diesem monatlich angepassten Sparzinssatz folgt. Doch das stellt einen finanzmathematisch groben Fehler dar, wie sich leicht erläutern lässt.

Der Bundesgerichtshof geht davon aus, dass die Sparverträge angesichts der Ausgestaltung der Prämienstaffel auf ein langfristiges Sparen bis zum Ablauf des 15. Sparjahres ausgerichtet sind. So schreibt er es jedenfalls in seine Urteile. Insofern ist das regelmäßige Besparen eines langfristigen Prämiensparvertrags vergleichbar einer sich monatlich wiederholenden Geldanlage in Bundeswertpapieren. Wer ein Kapital von 500 Euro zum Beispiel am 01.01.2008 in den Kauf eines zehn Jahre laufenden Bundeswertpapiers mit einer Rendite von 4% investierte, bekam zehn Jahre lang jeden Monat eine 4%-Verzinsung, die auf Jahresbasis gerechnet, der durchschnittlichen Rendite der Bundeswertpapiere im Monat Januar 2008 entsprach. Wenn derselbe Wertpapierkäufer auch im Monat Februar nochmals 500 Euro in Bundeswertpapieren (Rendite 3,90%) angelegt hätte, so hätte sich der Betrag von in Summe 1.000 Euro im Durchschnitt über die nächsten zehn Jahre mit 3,95% verzinst. Hätte er diese Geldanlage sodann auch noch im März wiederholt (Rendite 3,80%), so wäre seine Ersparnis von 1.500 Euro über die nächsten zehn Jahre im Durchschnitt mit einer Rendite von 3,90% angestiegen.

Es offenbart sich, dass sich zwar die Anpassung der Wertpapierrendite nach den monatlich aktuell geltenden Renditesätzen richtet. Die Verzinsung des Ansparvolumens folgt dagegen einer Durchschnittsbildung. Wer zwei Monate hintereinander denselben Betrag in den Kauf eines Wertpapiers investiert, erlangt eine Verzinsung seiner Gesamtanlage, die dem Durchschnitt aus zwei Monaten folgt. Wer dies drei Monate lang fortsetzt, dessen Verzinsung entspricht einem Gleitzinssatz über drei Monate usw.

Dasselbe hat dann aber ebenso für die Verzinsung des Sparvertrags zu gelten. Mithin ist das Sparvolumen bei einer Nachberechnung in der oben beschriebenen Weise mit einem sich sukzessive einschleichenden Gleitzinssatz zu verzinsen, der die Durchschnittsrendite aller Sparbeiträge unter den jeweils monatlich geltenden aktuellen Sparzinssätzen als Mittelwert beschreibt.

Wurde bspw. ein Prämiensparvertrag ab dem Jahr 2004 für fünfzehn Jahre bis zum Jahr 2019 mit einer konstanten Rate angespart, so erhöht sich der Erstattungsanspruch nur durch die Anwendung dieser Durchschnittsbildung bereits um knapp 1.300 Euro. Anstelle einer Erstattung von vielleicht 500 Euro kann somit die Auszahlung eines Betrags von 1.800 Euro verlangt werden.

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