Tricksen mit gekündigten Darlehen

Von Prof. Dr. Klaus Wehrt

Aktualisiert: 21. Mai 2008

Die Darlehenszinsen steigen auf breiter Front. Die Bauherren, die neue Kredite aufnehmen müssen, ärgern sich. Die Immobilienverkäufer, die Darlehen mit festgeschriebenen Zinsen vorzeitig ablösen möchten, freuen sich über niedrige Vorfälligkeitsentschädigungen. Und was ist mit jenen Schuldnern, denen die Bank das Darlehen vorzeitig wegen Zahlungsverzug, wegen nicht ausreichender Besicherung oder aus anderen triftigen Gründen kündigte?

Dieser Artikel soll dazu beitragen, ihre Stimmung aufzuhellen. Nicht selten liegt die Kündigung schon einige Zeit zurück. Das Darlehen ist fällig gestellt, die Vorfälligkeitsentschädigung kalkuliert und zurzeit häufen sich die Verzugszinsen an, weil der Darlehensnehmer sich außerstande sieht, das gekündigte Darlehen umzufinanzieren oder die beliehene Immobilie zeitgerecht zu veräußern.

Im Fall des Herrn Wolter (Name geändert) wurde das Darlehen über 350.000 EUR schon vor dreieinhalb Jahren gekündigt. Das war im Oktober 2004. Die Zinsen des Darlehens waren damals noch für fünf Jahre festgeschrieben. Für die Vorfälligkeitsentschädigungskalkulation benutzte die Bank seinerzeit einen Wiederanlagezinssatz von 3%. Da der Darlehenszinssatz 6% betrug, berechnete sie flugs eine Zinsentschädigung von jährlich 3%. Über 5 Jahre macht das 15% des Darlehenskapitals, abgezinst noch 13-14%, also ca. 48.000 EUR. Somit belief sich die fällige Schuld nicht auf nur 350.000 EUR, sondern auf knapp 400.000 EUR.

Und seit dreieinhalb Jahren summieren sich die Verzugszinsen auf diese Schuld. Zwar konnte Herr Wolter immer mal wieder einen kleinen Betrag auf die Verbindlichkeit leisten, doch was mag ein erschöpfter Schwimmer schon gegen die starke Strömung ausrichten, die ihn immer weiter in den Schuldenstrudel zieht?

Kurzum Herr Wolter schuldete im März 2008, zu jenem Zeitpunkt, zu dem er die vermaledeite Immobilie endlich mit einem erheblichen Abschlag verkaufte, seiner Bank 480.000 EUR. Das sind 130.000 EUR mehr als die Darlehensschuld zum Zeitpunkt der Kündigung.

Der bankliche Rechenweg im Stenostil:
Oktober 2004: Darlehensrestschuld plus Vorfälligkeitsentschädigung.
Oktober 2004 – März 2008: Verzugszinsen auf die oben kalkulierte Schuld.

Klingt gut. Ist aber rechtlich nicht haltbar. Korrekt wäre zu rechnen:
Oktober 2004: Darlehensrestschuld.
Oktober 2004 – März 2008: Verzugszinsen auf das Darlehenskapital.
März 2008: Vorfälligkeitsentschädigung

Das Restkapital belief sich im Oktober 2004 auf einen Betrag von 350.000 EUR. Diesem Kapital hätten sich in den letzten dreieinhalb Jahren noch ca. 70.000 EUR Verzugszinsen hinzugesellt: 420.000 EUR. Und die Vorfälligkeitsentschädigung!

Im März 2008 hatte das Darlehen noch eine Restlaufzeit von eineinhalb Jahren. Die Wiederanlagezinssätze lagen bei 4,3%. Mithin belief sich der jährliche Zinsschaden auf nur noch 1,7%. Über eineinhalb Jahre gerechnet, ergeben sich ca. 2,5% des Darlehenskapitals. Das aber sind gerade einmal 8.750 EUR. Damit belief sich die Gesamtschuld zum Zahlungstermin im März nicht auf 480.000, wie von der Bank berechnet, sondern nur auf knapp 430.000 EUR. Es wurden schlicht 50.000 EUR zuviel verlangt.

Herr Wolter ist froh, dass er gutachterliche Hilfe in Anspruch genommen hat und freut sich jetzt über eine Erstattung von mehr als 50.000 EUR. Während jener Zeit, innerhalb der sich der Häuslebauer mit der Rückzahlung seiner Schuld in Verzug befindet, ist es der Darlehensgeberin gestattet, den Vertragszinssatz als Verzugszins zu fordern. Sie darf ihren Verzugsschaden aber auch nach der Formel Basiszinssatz plus 2,5 Prozentpunkte (bei Verbraucherdarlehen) oder Basiszinssatz plus 5 Prozentpunkte (bei den übrigen Darlehen) berechnen. Insofern hat sie ein Wahlrecht, mit dem sie auf jeden Fall absichern kann, dass sie für die Zeit des Zahlungsverzuges nicht weniger als den Vertragszinssatz des Darlehens kassiert.

Würde ihr für diesen Zeitraum auch noch eine Vorfälligkeitsentschädigung zustehen, so wäre sie doppelt kompensiert, denn in der Zeit der Säumnis entsteht kein banklicher Zinsschaden.
Zudem verlangt schon die Idee der Vorfälligkeitsentschädigung, dass die Darlehensvaluta an die Bank zurückgezahlt wurde. Wie soll eine Bank ansonsten die Wiederanlagegeschäfte vornehmen, mit denen der Zinsschaden ausgeglichen werden soll?

Herr Wolter zahlte erst Ende März 2008 zurück. Mithin konnten auch erst zu diesem Zeitpunkt die Wiederanlagegeschäfte zu den damals aktuellen Zinssätzen durchgeführt werden.

In Zeiten fallender Zinsen stellte es übrigens für die Kreditwirtschaft eine Selbstverständlichkeit dar, die Vorfälligkeitsentschädigungen zum eigentlichen Rückzahlungstermin neu zu berechnen. In vielen Fällen stieg dabei nämlich der Schaden an. Das Argument war stets das Gleiche: das erst geraume Zeit nach der Kündigung zurückgeführte Kapital könne nur noch zu den reduzierten Zinsen angelegt werden. Heute tun sich dagegen die Institute schwer, die Entschädigungen zum Rückzahlungstermin neu zu kalkulieren und auf die Verzugszinsen für bereits in Rechnung gestellte Vorfälligkeitsentschädigungen zu verzichten.

Ein Blick in Rechtsprechung und Literatur stärkt die hier vertretene Position. In ständiger Rechtsprechung stellt der BGH in Bezug auf die Vorfälligkeitsentschädigung auf den Zeitpunkt der Rückzahlung ab. Und auch die Literatur liefert insoweit ein fast einhelliges Meinungsbild: Für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung kommt es auf den Termin der Rückzahlung und nicht auf den Termin der Kündigung an.

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