Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung

Von Prof. Dr. Klaus Wehrt

Aktualisiert: 15. April 2020

1. Was ist eine Vorfälligkeitsentschädigung?

Eine Vorfälligkeitsentschädigung darf die Bank beanspruchen, wenn sie ein Immobiliendarlehen (= Hausfinanzierung) mit einem über eine längere Laufzeit vereinbarten festen Zinssatz vor dem ersten möglichen Rückzahlungstermin zurücknimmt. Wird die Annahme eines vertraglich vereinbarten Darlehens vom Kunden bereits vor seiner Auszahlung verweigert – häufig bei Forwarddarlehen –, so spricht man von einer Nichtabnahmeentschädigung. Die Berechnung beider Entschädigungsarten erfolgt weitgehend einheitlich.

2. Vorfälligkeitsentschädigung oder Vorfälligkeitsentgelt?

Ein rückzahlungswilliger Verbraucherdarlehensnehmer hat seiner Bank gegenüber seinen Rückzahlungswunsch zu erklären. Das Institut hat sodann zu prüfen, ob ein berechtigtes Interesse an der vorzeitigen Rückzahlung besteht. Dieses ist gegeben, wenn die Immobilie verkauft wird. Das berechtigte Interesse ist aber ebenso gegeben, wenn Sie als Kreditnehmer eine Ausdehnung seines Kreditvolumens wünschen, Ihre Bank dieser Ausdehnung aber widerspricht, ein anderes Geldhaus jedoch bereit ist, den Wunsch zu erfüllen. Dann hat die Darlehensgeberin die Vorfälligkeitsentschädigung wie auch das zurückzuzahlende Kapital auszurechnen und Ihnen aufzugeben. Das OLG Naumburg sieht sogar ein Recht auf vorzeitige Ablösung, wenn nur durch eine Umfinanzierung ein derartig günstiges Zinsniveau erreicht werden kann, dass die Darlehensnehmer die monatlichen Raten künftig tragen können.

Besteht kein berechtigtes Interesse an der Rückzahlung, so darf das Geldhaus die Rückzahlung ablehnen oder sie von einer vertraglichen Vereinbarung mit Ihnen abhängig machen. Zahlen müssen Sie sodann ein sog. Vorfälligkeitsentgelt, das die Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung bis zum Doppelten überschreiten darf.

Achtung: Generell wird davor gewarnt, mit den Bankinstituten einen Aufhebungsvertrag für ein Darlehen zu vereinbaren. Dadurch wird die vorzeitige Ablösung vom Schadensersatzrecht (= Vorfälligkeitsentschädigung) in das Vertragsrecht (= Vorfälligkeitsentgelt) verlagert. Es drohen dann hohe Entgeltzahlungen. Beim Vorliegen eines berechtigten Interesses sollten Sie als Verbraucher deshalb keine Unterschrift gegenüber Ihrer Bank leisten, sondern auf das berechtigte Interesse verweisen. Eines Vertrags über die Rückzahlung bedarf es in diesem Fall nämlich nicht.

Manchmal geht es auch ohne Vorfälligkeitsentschädigung. Zwei Ausnahmen gelten:

  1. Sofern Ihr Institut das Verbraucherdarlehen kündigte, steht ihr weder eine Vorfälligkeits- noch eine Nichtabnahmeentschädigung zu.

  2. Ebenso wenig darf die Bank eine Zinsentschädigung verlangen, sofern Sie Ihren Kredit noch vor dem Ablauf der Widerrufsfrist widerriefen. In Gang gesetzt wird die Widerrufsfrist erst nach einwandfreier Belehrung. Allerdings gelten auch bei fehlerhafter Belehrung gesetzliche Ausschlussfristen für das Widerrufsrecht. Kontaktieren Sie insoweit einen auf das Bankrecht spezialisierten Anwalt.

Auch für die vorzeitige Ablösung von Nicht-Verbraucherdarlehen ist eine Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen. Dafür kommt es noch nicht einmal darauf an, ob das Darlehen grundpfandrechtlich besichert ist. Nicht-Verbraucherdarlehen sind allerdings zu kündigen. Die Bank prüft sodann das Vorliegen eines berechtigten Interesses. Fehlt es, darf sie die Ablösung verweigern oder von einem Vertrag über ein Vorfälligkeitsentgelt abhängig machen. Besteht dagegen ein berechtigtes Interesse schulden Sie bspw. als Unternehmer eine Vorfälligkeitsentschädigung. Auch für diesen Fall wird wiederum vor Unterschriften unter Aufhebungsverträgen gewarnt. Sie als gewerblicher Kunde berufen sich auf die ausgesprochene Kündigung. Bei gewerblichen Darlehen ist eine Widerrufsbelehrung bei Vertragsabschluss nicht erforderlich.

3. Rechtlich geschützte Zinserwartung

Für den Zeitraum, über den Vorfälligkeits- und Nichtabnahmeentschädigungen berechnet werden dürfen, gilt das Folgende:

  1. Der erste mögliche Kündigungstermin fällt im Allgemeinen auf den Termin des Auslaufens der Zinsbindungsfrist.

  2. Bei Darlehen, deren Zinsbindungsfrist 10,5 Jahre überschreitet, fällt allerdings der erste mögliche Kündigungstermin auf ein Datum 10,5 Jahre nach dem vollständigen Empfang des Darlehenskapitals.

    Zu kündigen haben Sie das Darlehen dann nach dem Ablauf von zehn Jahren. Nach sechs weiteren Monaten können Sie dann entschädigungsfrei zurückzahlen.

  3. Bei nach Ablauf der Zinsbindung fortgesetzten Darlehen tritt der Zeitpunkt der Verlängerungsvereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des vollständigen Empfangs.

  4. In Darlehensverträgen können frühere Rückzahlungstermine vereinbart werden. Dann gelten diese.

Die Vorfälligkeitsentschädigung bezieht sich immer auf den Zeitraum, für den die Darlehensgeberin auf eine rechtlich geschützte Zinserwartung verweisen kann. Dieser Zeitraum erstreckt sich stets vom Termin der vorzeitigen Rückzahlung bis zum ersten möglichen Rückzahlungstermin, beim Fünfzehnjahresdarlehen ist dieser erste Kündigungstermin spätestens 10,5 Jahre nach der Auszahlung erreicht. Für Forwarddarlehen, die bei derselben Bank abgeschlossen wurden wie schon das Ursprungsdarlehen (Komma) gilt der Termin des Abschlusses des Forwardvertrags als Beginn für die Berechnung des 10,5jährigen Zeitraums bis zur ersten möglichen darlehensnehmerseitigen Kündigung.

4. Die Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung

Erstmalig geregelt wurden die Berechnung von Vorfälligkeitsentschädigung und Nichtabnahmeentschädigung in einem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) aus dem Jahr 1991. Die Begriffe „Zinsverschlechterungsschaden“ und „Zinsmargenschaden“ wurden in diesem Urteil geprägt. Das Urteil sprach insoweit von einem Wahlrecht des Kreditinstituts, den Zinsmargen- oder den Zinsverschlechterungsschaden verlangen zu dürfen. Mit Urteilen aus den Jahren 1997 und 2000 formulierte der BGH das Wahlrecht der Bank neu. Dieses sollte sich künftig darauf beziehen, entweder die Vorfälligkeitsentschädigung dadurch zu ermitteln, dass mit einer Wiederausleihemöglichkeit in ein Ersatzdarlehen verglichen wird oder mit einer Wiederanlagemöglichkeit in Hypothekenpfandbriefen Soweit sich das Kreditinstitut für die erste Möglichkeit der Zinsschadensberechnung entscheide, sollte ihm über den reinen Zinsschaden, determiniert durch die gesunkenen Wiederausleihezinssätze, hinaus der Ersatz des entgangenen Gewinns aus dem Ursprungsgeschäft zustehen: Zinsverschlechterungs- plus Zinsmargenschaden. Unter der zweiten Berechnungsmöglichkeit würde dagegen die typische Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Darlehensverzinsung und einer Verzinsung in Hypothekenpfandbriefen. Zinsverschlechterungs- und Zinsmargenschaden gleichermaßen abdecken. Da in dieser Differenz überdies noch die Kosten der Darlehensverwaltung und des Rückzahlungsrisikos enthalten seien, habe die Bank die mit der Rückzahlung ersparten Kosten aus Darlehensverwaltung und Risiko an den Darlehensnehmer herauszugeben.

Die bankliche Praxis schöpfte das Wahlrecht bei der Entschädigungsberechnung, welches der BGH einräumte, dahingehend aus, dass fortan der Aktiv-Passiv-Vergleich – der Vergleich mit einer Wiederanlage in Hypothekenpfandbriefen zum Maß der Dinge erhoben wurde. Allerdings bestanden über die Durchführung dieser Berechnungsweisen noch erhebliche Meinungsverschiedenheiten zwischen den Verbraucherschützern auf der einen Seite und den Kreditinstituten auf der anderen Seite. Meine gutachterliche Wegweisung durch diese Meinungsverschiedenheiten ist wie folgt:

  1. Bei der Festlegung der Zinsdifferenz zwischen dem Vertrags- und dem Wiederanlagezinssatz ist auf einen Vergleich von Sollzinssatz und den entsprechenden Wiederanlagesätzen von Hypothekenpfandbriefen verschiedener Laufzeiten abzustellen. Weil der Kreditgeber den Tilgungsplan des abzulösenden Darlehens nach dem Sollzinssatz (früher: Nominalzinssatz) entwickelt, vermag auch nur dieser Zinssatz den ausfallenden Zahlungsstrom zu modellieren. Zwar verzinst sich das Darlehen entlang des Zahlungsstroms mit einem effektiven Satz, den Zahlungsstrom selbst reproduziert dagegen nur der Sollzinssatz.

  2. Die Wiederanlage hat laufzeitkongruent zu erfolgen. Das bedeutet, dass nicht nur jener Hypothekenpfandbriefzinssatz zur Anwendung kommt, der für die verbleibende Zeit bis zum ersten Kündigungstermin gilt, sondern eine Serie von Wiederanlagesätzen (sog. Staffelzinssätze) jeweils entsprechend dem Abstand der einzelnen künftigen Raten vom Rückzahlungstermin des Darlehens.

  3. Die Sätze für eingesparte Verwaltungskosten bewegen sich im Bereich von 60-100 EUR jährlich. Anders als früher praktiziert, werden die ersparten Verwaltungskosten nicht länger durch einen prozentualen Abschlag von der Darlehenssumme erfasst, sondern als fester jährlicher Betrag unabhängig von der gewährten Darlehenssumme.

  4. Die ersparten Risikosätze sind jeweils in Abhängigkeit vom Rückzahlungsrisiko des einzelnen Darlehens zu kalkulieren. Dieses Rückzahlungsrisiko ist wesentlich geprägt durch den Grad, mit dem die Immobilie beliehen wurde, ferner durch die Person des Darlehensnehmers, seine Kapitaldienstfähigkeit (= Solvenz) wie auch seine sonstige Vertrauenswürdigkeit. Im Bereich des gewerblichen Immobiliardarlehens spielt überdies noch die Fungibilität (= Vermarktbarkeit) des Objekts eine Rolle. Einen Hinweis auf das mit dem Darlehen verbundene Risiko liefert stets der Vergleich Ihres des eigenen Darlehenszinssatzes mit dem bei Abschluss üblichen Marktzinssatz für eine gleichlange Zinsbindungsfrist.
    Während von den Banken häufig nur Sätze unterhalb von 0,15 Prozentpunkten Prozentpunkte jährlich als Zinsabschlag vom Darlehenszinssatz eingestellt werden, gehen Schätzungen von Sachverständigen für Verbraucherdarlehen eher von mindestens 0,25 – 0,45 Prozentpunkten aus, im Einzelfall sogar noch höher.

  5. Im Bereich des gewerblichen Darlehens spielen weitere Faktoren noch eine wesentliche Rolle. Der bankliche Rückzahlungsverlust (LGD = loss given default) und die Ausfallwahrscheinlichkeit (PD = probability of default) sind in diesen Fällen häufig recht hoch. Zur Vermeidung von Liquiditätsrisiken insbesondere bei Großdarlehen haben deshalb die Banken zusätzlich sog. regulatorisches Eigenkapital zu unterlegen, das bei einer Rückzahlung wieder frei wird. Damit bewegen sich die Risikoersparnisse nicht selten im Bereich oberhalb von 0,5 Prozentpunkten bis hin zu 1,5 Prozentpunkten jährlich.

  6. Der Bank steht für die Berechnung von Vorfälligkeitsentschädigungen eine einmalige Bearbeitungsgebühr zu. Als angemessen werden Beträge von bis zu 100 EUR betrachtet.

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Prof. Dr. Klaus Wehrt ist finanzmathematischer Experte für alle Fragen der Immobilienfinanzierung, insbesondere der Überprüfung von Vorfälligkeitsentschädigung, Professor für Volkswirtschaftslehre und Statistik, Buxtehude-Immenbeck.

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