Von der medialen Wahrnehmung weitgehend unbeachtet geblieben ist ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom 5. März 2024 (BGH XI ZR 107/22), das vielen Darlehensnehmern, die mit ihren Kreditraten in Verzug geraten sind, aus der „Patsche“ helfen kann. Gewerbliche wie Verbraucherdarlehensnehmer, die Monat für Monat in Not geraten, die planmäßige Darlehensrate aufzubringen, stellen fest, dass ihr Geldhaus darin häufig kein Problem sieht. Automatisch wird die Rate vom Girokonto abgebucht. Das Kreditkonto bleibt somit frei von den Rückständen.
Doch der Zinssatz für genehmigte Überziehungen auf dem Girokonto, der sog. Dispokredit, beläuft sich häufig auf 12% oder mehr. Das jedoch, monieren die Verbraucherschützer, passt nicht zur Vorschrift des § 497 BGB, nach der sich rückständige Leistungsraten auf Wohnbaukredite nur mit 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verzinsen dürfen. Der Basiszinssatz notiert zurzeit bei 3,37%. Mithin würde maximal eine Verzinsung von 5,87% für säumige Darlehenszinsen geschuldet. Bei Konsumentenkrediten darf der Zinssatz für säumige Beträge zwar höher sein, doch auch dort dürfen nur 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz verlangt werden, also 8,37%, nicht dagegen 12%.
Und auch im gewerblichen Bereich gilt für rückständige Zinsen auf zu bedienende Kredite nach § 288 Abs. 1 BGB nur ein Verzugszinssatz von 8,37% (5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz). Zinsforderungen stellen nämlich keine Entgeltforderungen dar.
Das Problem besteht in der Praxis der Banken, rückständige Kreditzinsen oder Darlehenstilgungen auf dem Girokonto ins Dispo zu buchen und somit das Darlehenskonto zu konsolidieren. Das lässt sich verhindern, indem Sie einfach die Berechtigung der Bank, offene Positionen des Darlehenskontos auf dem Girokonto zu verbuchen, widerrufen. Dann bleibt die Säumnis auf dem Kreditkonto stehen und es gelten die gesetzlichen Vorschriften für den Verzugszins, also 2,5 oder 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Das betrifft übrigens nicht nur die Buchungen der Gegenwart und der Zukunft, sondern ebenso Buchungen der Vergangenheit. Allerdings sind dabei gewisse Voraussetzungen zu beachten, auf die ich als Kredit-Gutachter Sie jetzt hinweisen werde.
Das Geldhaus gilt als sog. Zahlungsdienstleister, der Kunde als sog. Zahlungsdienstleistungsnutzer. Ein allgemeiner Auftrag zur Erledigung von Zahlungsdienstleistungen, der sog. Zahlungsdiensterahmenvertrag, wie sie die Buchungen auf einem Girokonto darstellen, kann vom Auftraggeber, also dem Nutzer jederzeit gekündigt werden (§ 675h Abs. 1 BGB). Nach § 675w S. 1 BGB trägt der Zahlungsdienstleister stets die Beweislast für die Autorisierung des jeweiligen Zahlungsvorgangs, also auch für eine Buchung zwischen Giro- und Kreditkonto. Allerdings verwendet die Deutsche Bank bspw. in ihren AGB unter Nr. 7 eine Klausel, nach welcher Einwendungen gegen einen Rechnungsabschluss innerhalb von sechs Wochen nach Zugang zu erheben sind. Das Unterlassen gilt als Genehmigung. Verlangt ein Kunde nach Ablauf dieser Frist noch eine Korrektur des Rechnungsabschlusses, so steht er nach der Überzeugung der Bank in der Beweislast für die Fehlerhaftigkeit der Buchung.
Der Bundesgerichtshof erachtet eine Klausel wie die oben dargestellte Nr. 7 als wirksam. Wurde allerdings rechtzeitig, also innerhalb der Sechs-Wochen-Frist ein Einspruch erhoben, so verbleibt die Beweislast beim Institut. Wird erst zu einem späteren Zeitpunkt nach Übersendung der Kontounterlagen Einspruch erhoben, so kann es sein, dass die Frist überhaupt nicht in Gang gesetzt wurde, weil ein Rechnungsabschluss, der entsprechend bezeichnet wurde, überhaupt nicht vorgelegt wurde, denn ein Rechnungsabschluss ist mit der Überschrift „Rechnungsabschluss“ als solcher kenntlich zu machen.
Im konkreten Fall hatte das Geldhaus nur die Kontoauszüge versandt. Sie enthielten nicht den Aufdruck „Rechnungsabschluss“. Lediglich auf der Anlage zu den Kontoauszügen fand sich der Hinweis „Kontoabschluss“, der als „Rechnungsabschluss“ zu interpretieren sei, sich allerdings dann auch nur auf die Anlage beziehen könne, in der lediglich die Gebühren und Zinsen aufgeführt waren. In Bezug auf die Buchungen auf dem Konto verblieb somit die Beweislast beim Institut.
Wie können säumige Darlehensnehmer das Urteil für sich nutzen?
- Widerrufen Sie die Autorisierung für Buchungen vom Darlehenskonto auf das Girokonto für die Zukunft. Insofern ist das Geldhaus nicht länger berechtigt, derartige Buchungen vorzunehmen. Künftige Zahlungsverpflichtungen, die von Ihnen nicht eingelöst werden können, sind somit als Säumnis auf dem Kreditkonto zu verbuchen. Dafür gilt jedoch der unterhalb des Dispozinssatzes liegende gesetzliche Verzugszinssatz.
- Überprüfen Sie, ob die vierteljährlich – anlässlich der Zinsverrechnung – zugesandten Kontoauszüge einen Hinweis auf den Kontoabschluss enthalten. Fehlt dieser, so liegt die Beweislast für die Rechtmäßigkeit der Umbuchung immer noch bei Ihrem Institut. Fordern Sie Ihr Institut auf, den Nachweis für die Berechtigung der Umbuchungen in der Vergangenheit zu führen. Scheitert dieser Nachweis, so können Sie auch noch die Vergangenheitsbuchungen zwischen den beiden Konten widerrufen.
- Sollten korrekte Rechnungsabschlüsse vorgelegt werden, so weisen Sie – falls es möglich ist – Ihrer Kreditgeberin nach, dass a) entweder keine Autorisierung für die Umbuchungen vorlag oder b) dass Sie diese bereits in der Vergangenheit widerriefen.
Beachten Sie allerdings, dass ein Rückstand mit mehr als zwei Monatsraten auf dem Verbraucher-Kreditkonto die Bank berechtigen kann, das Darlehen zu kündigen. Dann steht ihr allerdings keine Vorfälligkeitsentschädigung zu. Für gewerbliche Darlehen gilt eine ähnliche Regelung in Bezug auf die Höhe der für eine Kündigung erforderlichen Rückstände.
Für die Zeiträume, für die Ihr Darlehensgeberin keine Autorisierung beweisen kann, steht Ihnen nach § 675u BGB eine Kontoberichtigung zu, die unverzüglich durchzuführen ist. Das bedeutet, dass alle auf das Girokonto gebuchten Leistungsraten Ihres Darlehens auf das Kreditkonto zurückzubuchen sind und auch die entsprechenden Gebühren sowie die Zinskosten zu erstatten sind. Empfehlenswert ist insoweit die Beiziehung eines Kredit-Sachverständigen, der die korrekten Buchungen vornimmt und die korrigierten Abrechnungen der Bank überprüft.
Dafür stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Vorfälligkeitsrechner
Vorfälligkeitsentschädigung schnell berechnen
Sie möchten die Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung ermitteln oder prüfen? Mit unserem Online-Vorfälligkeitsentschädigungsrechner ist das kein Problem. Bereits ab 0,00 Euro für Darlehen bis 400.000 Euro.
Kontaktieren Sie uns
Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail:
Telefon: 04161 996816
E-Mail: mail@wehrt.de
Prof. Dr. Klaus Wehrt
Prof. Dr. Klaus Wehrt ist finanzmathematischer Experte für alle Fragen der Immobilienfinanzierung, insbesondere der Überprüfung von Vorfälligkeitsentschädigung, Professor für Volkswirtschaftslehre und Statistik, Buxtehude-Immenbeck.